Wir müssen den Gürtel weiter schnallen. Zu dieser Erkenntnis gelangte ich unlängst, als ich in Vorbereitung auf einen formellen Anlass zum schwarzen Schuhwerk einen schwarzen – einige Zeit nicht getragenen – Gürtel umlegte. Ganz offensichtlich hatte man mir die letzten Monate über unbemerkt irgendwas ins Wiener Schnitzel und die Mandelhörnchen gemischt… Kurzerhand stiefelte ich in den Keller, um nach einiger Suche Opas guter alter Lochzange wieder einmal Tageslicht zu gönnen. Fest zugedrückt – und mit einem sanften „Knuck“ war ein neues, zusätzliches Loch in den schwarzen Lederriemen gestanzt. Ein handwerklicher Vorgang übrigens, der, wie ich mir beim Maßnehmen vertrauensvoll (und mit vors Gesicht geschlagenen Händen) sagen ließ, für eine Frau die größtmögliche Demütigung auf dem Weg in den Sommer darstellen würde. Eher würde frau einen Gürtel in die Tonne kloppen, weil die Farbe ohnehin nicht mehr angesagt sei. Meiner ist schwarz… Was soll ich sagen..?!
Aber ich will ehrlich sein: Ganz so überraschend kam dieser kurze änderungsschneiderische Arbeitseinsatz für mich nicht, hatte mir das eine oder andere Hemd in jüngerer Vergangenheit beim Zuknöpfen doch durchaus unüberhörbare Signale geflüstert. Ich muss in diesem Zusammenhang wohl zugeben, dass ich, wenn wir uns an Harald Juhnkes „Barfuß oder Lackschuh“ erinnern, in kulinarischer Hinsicht durchaus im Lackschuh zu Hause bin. In aller Regel verzichte ich auf Frühstück und Mittagessen, lebe den Tag über von einem Ingwer-Shot, zwei Kaugummis und 3 Litern Wasser, um mir dann allabendlich die Leckereien der internationalen Küche in die Plauze zu pfeifen. Gleichzeitig kann ich, nachdem bei mir schon vor Jahren eine Keinbockiakie und jüngst noch dazu erhöhte Gehmirwechitis-Werte diagnostiziert wurden, leider keinen Sport betreiben.
„Ich muss wohl zugeben, dass ich, wenn wir uns an Harald Juhnkes ‚Barfuß oder Lackschuh‘ erinnern, in kulinarischer Hinsicht durchaus im Lackschuh zu Hause bin.“Heiko Bosse
Tja, und so passiert’s dann halt, dass man in seinem Kleiderschrank nach und nach eine neue Rangordnung vornimmt. Rechts hängen die Hemden, die – über der Buxe getragen – top zu Sneakern (also, Turnschuhen – Sie erinnern sich) aussehen. Ganz links hängen die Hemden, die mit ziemlicher Gewissheit demnächst auch wieder passen. Wegschmeißen kannste nur einmal! Mittig zwischen diesen beiden Fraktionen – links der Schnitt „Muscle fit“, rechts „Regular fit“ – hängen bei mir zwei, drei Hemden in „Slim fit“. Das sind meine Friseurhemden. Dabei handelt es sich um jene Exemplare, die fürs Büro zu „eingelaufen“ sind, für den samstäglichen Besuch beim Barbier und den Wäschekorb danach aber noch unbedingt geeignet erscheinen. Für die 20 Minuten kannste wohl die Luft anhalten.
Dabei hab' ich’s ja probiert. Hab’ mir eine Zeit lang – quasi barfuß lebend – abends Brokkoli und Spinat gedünstet, hab’ Brot mit Thunfisch gegessen – nur um eine Stunde später, vom Hunger geplagt, an der Erdnussflips-Tüte zu hängen. Das war gar nicht mal so schön. Nee, nee, komm – jeder von uns kennt irgendeinen Jogger, der vom Trecker überfahren wurde, und ich behaupte, Hape Kerkeling, Walter Plathe und Michael Schanze, die heutzutage das Hemd auch eher über als in der Hose tragen, sind auch glückliche Menschen! Hier werden jetzt die Lackschuhe geschnürt und dann gibt’s wieder saftigen Adana-Kebap-Hackspieß, dazu gegrillte Tomate und Peperoni, Tzatziki, Salat und Pommes, dazu einen kräftigen Rioja (bringen wir das Altglas halt im Dunkeln weg). Ich weiß jetzt ja, wo die Lochzange hängt.
Zur Person:
- Heiko Bosse ist Mitglied der Chefredaktion der OM-Medien.
- Den Autor erreichen Sie per Mail an: redaktion@om-medien.de.