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Bin ich ein Halodri?

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Von T-Shirts und Silberlockenpracht.

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Eigentlich war an diesem Mittag bei meiner Tante alles erledigt, der Mobilrasenmäher – ihr fahrender „Onkel“ – lief gehorsam seine Runden, das Wasserglas war artig bis auf den Boden ausgetrunken und auf ihrem „Apparat“ leuchteten wieder alle neuesten Whatsap Meldungen.

Trotzdem sah Tante Lucie mich musternd von oben bis unten an und runzelte ihre Stirn „Jung, bist du denn für einen Geschäftsmann richtig angezogen? Komm nochmal her, lass dich richtig ansehen“. Sie zupfte energisch an meinem T-Shirt und ich merkte, das gefiel ihr nicht. Ein richtiges Oberhemd und am besten eine Krawatte, wie Opa sie früher trug, hätten es zumindest sein müssen, um in ihren Augen nicht wie ein Hallodri auszusehen.

Ich versuchte mich zu verteidigen, erzählte ihr vom stellvertretenden Bürgermeister und Nachbargeschäftsmann Peter aus Emstek, der auch T-Shirts trägt und den sie doch eigentlich richtig gut findet. Überzeugend war das nicht, denn sie zauberte einen anderen Geschäftsmann aus Cloppenburg aus dem Hut, der nicht so rumlaufen würde. Die Sorgenfalten unter ihrer frisch gelegten Dauerwelle blieben.

"Wenn du auf'm Kopf nicht mehr anständig aussiehst, haste verloren."

Ich weiß, so gestylt wie meine beiden Seniorinnen mit ihren 86 und 96 Jahren werde ich nie aussehen können. Jeden Freitag marschiert Oma zum Friseur, egal ob Husten, Heiserkeit oder sonstige Malessen. „Wenn du auf'm Kopf nicht mehr anständig aussiehst, haste verloren“, hatte mir Oma stets eingebläut, wenn ich ihren Gang zum Friseur wegen der Hitze verhindern wollte. Zumindest hat es den Vorteil, wenn ich sie im Ort nicht finde, ist der erste Fundort der Friseur.

Vor Kurzem hab ich mich nach erfolgreicher Suche zwischen die Damen auf einen freien Drehstuhl im Salon gesetzt, während die Kunstgebilde auf den Köpfen gewaschen und dann geformt wurden und ich die besten Neuigkeiten aus dem Dorf hörte. Schön war's, als Hahn im Korb mit Silberlocken.

Früher rätselte ich immer, wie man mit diesen Aufbauten auf dem Kopf eigentlich schlafen kann, ohne dass am Morgen alles zerstört ist, schließlich sollte es doch eine Woche halten. Ob Oma wohl im Sitzen geschlafen hat, während Opa sich langsam an sie rankuschelte? Lockenwickler, Dauerwelle, ordentlich Haarfestiger und diese merkwürdigen Astronautenhauben auf dem Kopf, danach sehen meine Seniorinnen und ihre Freundinnen immer noch so aus wie früher. Als ob man sie nicht berühren darf, weil die Haarpracht dann in sich zusammenfällt.

Die Zweifel an meinem T-Shirt-Outfit konnte ich meiner Tante jedenfalls nicht ausreden. In meiner Not las ich ihr einen schlauen Satz von einem Zukunftsforscher vor: „Viele Ältere übertragen ihr Ideal auf die Jüngeren – mein Haus, mein Job, meine Ehe, mein Leben. Aber vielleicht wollen die Jungen das alles gar nicht“. „Hast ja vielleicht recht“, schmunzelte Tante Lucie wohlwollend. Am nächsten Morgen stand ich bei brütender Hitze mit einer kurzen Hose vorm Spiegel. Habe mich gedreht, gewendet und gegrübelt und dann die kurze Hose wieder ausgezogen – ich mit kotte Büxen im Laden, das hätten meine beiden Mädels nicht verkraftet.


Zur Person:

  • Antonius Schröer führt mehrere Modehäuser. Der 62-Jährige verkörpert das Vechtaer Original „Straßenfeger“ im Karneval.
  • Kontakt: redaktion@om-medien.de.

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