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Auf dem Schoß der Obrigkeit sitzt es sich besonders schön

Gästebuch: Karneval war einst ein Fest des Volkes gegen die Obrigkeit. Gefiel der Kirche gar nicht. Die Cloppenburger machen's seitdem schlau und binden die Staatsobrigkeit in die Narretei mit ein.

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Volkes Herrschaft für'n paar Tage. Karneval ist unter uns. Gott und der König stehen blank da. Es regiert die Anarchie. Gala des Cloppenburger Carnevals Vereins (CCV) am letzten Wochenende. Stadthalle proppevoll. Bald ist "Fleisch ade". Also: carne vale.

Der Karneval in seiner Geschichte war einst ein Fest des Volks gegen die Obrigkeit. Man war unter sich. Eine urdemokratische Sause. Noch heute weht die Geschichte durch viele Straßenkarnevalsumzüge. Natürlich war in der Geschichte die Kirche ein natürlicher Gegner. Wir Südoldenburger hinter der Soutane vorneweg. Die Narren bildeten gewissermaßen den Gegenentwurf zum bigotten Kirchgänger. Lustfeinde gegen Lustfreunde. Völlerei gegen Fasten. In Südoldenburg feierte man im 18. und 19. Jahrhundert die 3 Tage vor Aschermittwoch Fastnacht.

Verkleidet zogen die Menschen mit Musik durch die Orte. Sie sammelten reichlich Eier, Mettwürste und Geld. Die Umzüge endeten in Orgien und Saufgelagen. Das konnte nicht gut gehen. Und so führte die Kirche das 40-Stunden-Gebet ein. Jede Stunde von Rosenmontag bis Aschermittwoch in die Kirche auf die Knie, damit wir nicht auf falsche Gedanken kommen und für die Karneval-Sünden schon prophylaktisch hafteten.

"Bald war aber endgültig Schluss. Kaplan Hellman aus Sevelten (!) verbot 1870 sämtliche Karnevalsfeiern. Ausgerechnet Sevelten."Otto Höffmann

Doch wir Oldenburger Münsterländer stammen ja nicht aus Dummsdorf. Mit der uns eigenen Südoldenburger Schlitzohrigkeit legten wir den Karneval kurzerhand eine Woche vor. So war beiden gedient: Salomonisch auf Südoldenburgisch. Bald war aber endgültig Schluss. Kaplan Hellman aus Sevelten (!) verbot 1870 sämtliche Karnevalsfeiern. Ausgerechnet Sevelten.

Der Bürgermeister von Cloppenburg, ein Herr namens Münstermann, unterschrieb eine Urkunde mit vielen Paragraphen. Darin war unter Strafe verboten, mit unanständiger Kleidung und bemaltem "Gesichte" durch das "Kirchspiel Kloppenburg" zu ziehen und die Eingesessenen zum Zechen zu animieren. Das ist eben das Risiko, wenn man als braver Bürger nicht brav ist. Wenn eine gewisse Renitenz "denen da oben" verdächtigt vorkommt. Man hat die Qual der Wahl: Unabhängigkeit oder Anbiederei. Da ist der ganze Narr gefragt.

Bloß keine Staatsferne – also wird der Bürgermeister neuer Ritter

Die Cloppenburger Karnevalisten haben sich für den Platz auf dem Schoß des Bürgermeisters entschieden. Das ist so, als wenn der Münchinger Faschingsverein Ministerpräsident Söder in den Vorstand aufnimmt. Die Kreisstädter Narren wussten, wohin sie wollten. Dort, wo es "hoch un dröge" ist. Schon Bürgermeister-Vorgänger Wolfgang Wiese war gerne eingebunden in das launige Geschehen und diente huldvoll als Schilderträger: Hinter einem Narren mit dem Schild "Heiße Würstchen" lief er einst auf der Gala mit dem Banner "Heiße Wiese". Spaß ist eben, wenn's trotzdem kracht.

Zur jetzigen Tafelrunde der Cloppenburger Narren am vergangenen Wochenende musste ein Nachrücker bestellt werden. Denn die Ritter der Runde hätten reichlich "Rost angesetzt", schreibt der Chronist. Hochgehandelt fürs frische Blut wurde Karsten Klinker, ein Musiker, ein Dirigent, ein verdienter Bürger, seit Jahren für Cloppenburger Bürgerinnen und Bürger aktiv, keiner von denen da oben, einer von Kunst und Kultur.

Doch Pustekuchen. Bloß keine Staatsferne. Wer weiß, wann wir unseren gütigen Herrn nochmal brauchen. Wir raunen nur den Namen: Münstermann. Mehr nicht. Das sollte reichen. Also wählen wir den aktuellen Bürgermeister als neuen Ritter. Schön sitzt es sich auf dem Schoß der Obrigkeit. Wenn wir "dei Böversten" auf unserer Seite haben, kann uns nichts widerfahren, sagten sich Cloppenburgs Narren und setzten Neidharn Varnhorn die Narrenkappe auf. Da ist man unter sich. Ein Narr, der Böses dabei denkt. "Fleisch ade" wollen doch sowieso nur die Grünen.


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