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Alter!

Kolumne: Das Leben als Ernstfall – Wenn die Einladung zum Abi-Treffen fast zu einer Alterskrise führt.

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Plötzlich trudelte sie ein. Die Einladung zum Abi-Treffen. Wohlgemerkt: Die Abiturfeier jährt sich zum 20. Mal. ZUM 20. MAL!!!! Wann bitte ist das passiert? Es soll schon 2 Jahrzehnte her sein, dass ich mich Tag und Nacht, mehr oder weniger erfolgreich mit Schokoladenkeksen in meinem Zimmer eingeschlossen und mich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung, Fontanes Effi Briest, Religionstheorien und der Industrialisierung herumgeplagt habe? Das wage ich zu bezweifeln. Gefühlt habe ich mich vor 3 Tagen erst fürs Studium an der Uni Göttingen eingeschrieben, vor 2 Tagen ging mein Radiovolontariat los und eigentlich arbeite ich auch erst seit gestern als Redakteurin bei OM-Medien. 

Mit diesem Sentimentalitätshammer des Abi-Treffens kommt noch eine weitere Erkenntnis einher. Die Zahl 40. Sie rückt in so greifbare Nähe. Die ersten aus meinem Freundeskreis haben es schon hinter sich. Und sie lachen noch. Ich habe noch 9 Monate Zeit. Laaaaaange 9 Monate.

Plötzlich denkt man über Mittagsschlaf nach

Zwar ist 40 das neue 30, aber meine (Lach)Falten halten sich einfach nicht an die neue Regel. Mein Rücken übrigens auch nicht. Mal zwickt es hier und mal zwickt es dort. Eine Nacht auf einer Luftmatratze war früher beim Zelten im Garten ein echtes Abenteuer, heute brauche ich danach einen Termin bei der Physiotherapie. War ich vor Kurzem noch eine der Jüngsten auf Studi-Partys, bin ich jetzt für Ü-30-Partys schon zu alt. Auch die Themen mit Gleichaltrigen ändern sich. Plötzlich braucht man mehr Schlaf, man muss sich 3 Tage von einer "langen" Partynacht erholen, man denkt über Mittagsschlaf nach und statt bei Netflix stöbert man in der ZDF-Mediathek nach Serien und Filmen.

40 zu werden kann einen verunsichern, es ist ein unentschlossenes Alter: Man ist sicher nicht mehr jung. Und ebenso sicher noch nicht alt. Wer 40 wird, hat bis zur Rente noch 27 Jahre. Ist das viel – oder sind das „nur noch 27 Jahre“, wie der Kreditberater der Hausbank stirnrunzelnd anmerkt?

Als Mann wäre man mit 40 einer der ältesten Fußballprofis der Bundesliga. Würde ich ein Buch schreiben, liefe das noch unter Jungautorin. Wer Kinder hat, muss mit 40 Hausaufgaben kontrollieren oder noch Windeln wechseln. Wer aber noch keine Kinder hat, dem rennt die Zeit davon (vorausgesetzt, man wünscht sich Kinder). Ein Elend. 40 ist das Alter der Widersprüche. 

"Statt bei Netflix stöbert man in der ZDF-Mediathek nach Serien und Filmen."Sandra Hoff

Dieses 40 ist so nichts. Nicht Fisch nicht Fleisch. Oder ist es doch eigentlich alles? Ein Freund sagte letztens zu mir, 40 ist das beste Alter. Idealerweise hat man seinen Platz im Leben gefunden, im Job, in der Familie, in seinem Zuhause, in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. Recht hat er. Ich fühle mich angekommen. Auch wenn es immer die ein oder andere Stellschraube im Leben gibt, an der man drehen kann. Mal mehr, mal weniger fest. 

Noch ein Plus des Älterwerdens: Gelassenheit. Was andere Menschen sagen und vermeintlich denken, interessiert mich weniger. Die Empfindlichkeit der jungen Jahre hat abgenommen – und das ist auch gut so. Zum Ende dieser Kolumne muss ich noch eine Floskel loswerden. Dafür entschuldige ich mich: Letztlich ist man so alt, wie man sich fühlt, und trotz der Rücken- und Knieprobleme sagt mein Kopf: "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."


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