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Als man Nägel noch einzeln kaufen konnte

Serie: Zeitsprünge 1920 – Die Eisenwarenhandlung Willenbrink in Lohne. Ob Schrauben oder Nägel in Einzelabzählung, alte Möbelbeschläge oder Ofenrohre: Bei Willenbrink gab es alles.

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1920 in Lohne: Das Haus Willenbrink an der Brinkstraße hatte viel zu bieten. Foto: Stadtmedienarchiv im Heimatverein Lohne

1920 in Lohne: Das Haus Willenbrink an der Brinkstraße hatte viel zu bieten. Foto: Stadtmedienarchiv im Heimatverein Lohne

Mittlerweile haben Einkaufszentren und Großmärkte kleine Einzelhandelsgeschäfte für Eisen- und Haushaltswaren sowie Handwerkerartikel verdrängt. Es gab in Lohne bis ins Jahr 2015 aber immer noch ein Geschäft, das sich dem allgemeinen Verdrängungswettbewerb mutig entgegenstellte.

Es handelt sich um die Eisenwarenhandlung Clemens Willenbrink an der Brinkstraße in Lohne. Ob Schrauben oder Nägel in Einzelabzählung, alte Möbelbeschläge oder Ofenrohre, Futtertränken oder Schirmglucken, Heizlüfter oder Ersatzschlüssel, Handwerkszeug oder Installationsbedarf – der Inhaber, liebevoll von den Lohnern mit dem Beinamen „Pionier“ versehen, war informiert und konnte aus irgendeiner Schublade oder aus einem Fach der langen Regalwände, aus dem Nebenraum oder den Obergeschossen des großen Hauses das Gewünschte besorgen.

Wenn der Zirkus in Lohne gastierte, wurden häufig – zum Beispiel für Elefanten – neue Ketten bei Willenbrink gekauft. Viele Kunden, vor allem Handwerker, hielten der Eisenwarenhandlung wegen der Zuverlässigkeit oder, wie es heute heißt, wegen des guten Services die Treue. Es hatte sich auch herumgesprochen, dass Qualitätswerkzeug verkauft wurde. Andere Kunden kamen, um den Charme eines Geschäfts aus dem 19. Jahrhundert zu erleben. Es begann mit dem Öffnen der mächtigen Eingangstür, dem Scheppern der Ladenklingel, dem farbenfrohen Bild der gut erhaltenen alten Fliesen im Eingangsbereich und einem langgestreckten Tresen mit einer alten Ladenkasse.

Aus der aktuellen Sonderausstellung Hervorgeholt und abgestaubt“ im Lohner Industriemuseum. Foto: DrägerAus der aktuellen Sonderausstellung „Hervorgeholt und abgestaubt“ im Lohner Industriemuseum. Foto: Dräger

„Schwesternschule“ war circa 20 Jahre im Haus Willenbirnk

Der älteste Teil des Gebäudes wurde als Schmiede gegründet, die aber nach dem Zweiten Weltkrieg außer Betrieb gestellt wurde. Der erste Wetterhahn des 1837 errichteten Lohner Kirchturms ist bei Willenbrink geschmiedet worden und hat mit einigen Reparaturen über 150 Jahre seinen Dienst getan. Im Obergeschoss des Hauses Willenbrink befanden sich Kammern, in denen seinerzeit Lehrlinge und Gesellen untergebracht waren, als man noch wegen fehlender Fahrgelegenheiten im Haus des Lehrherrn wohnte und auch verköstigt wurde.

Es wird kaum bekannt sein, dass sich die 1870 gegründete Schule der Schwestern Unserer Lieben Frau, „Schwesternschule“ genannt, bis zur Errichtung des neuen Gebäudes an der Marienstraße für circa 20 Jahre im Haus Willenbrink befunden hat, bis aus Platzmangel bei 79 Schülerinnen und weiteren Anmeldungen der Neubau realisiert wurde, womit die Zahl der Schülerinnen auf 130 anstieg.

Ein Stück Vertrautheit und ein stadtbildprägendes Gebäude ist 2016 durch ein neues Geschäfts- und Wohnhaus ersetzt worden. Immerhin wird die Erinnerung an das Haus Willenbrink durch eine Erläuterungstafel erhalten.

Im Magazin des Lohner Industriemuseums konnte ein Teil der Ladeneinrichtung übernommen werden. Außerdem wird in der Ausstellung „Hervorgeholt und abgestaubt“ im Industriemuseum, die noch bis Mitte August 2022 zu sehen ist, ein Blick auf einen Teil der Ladeneinrichtung der Eisenwarenhandlung Clemens Willenbrink ermöglicht und auch der alte Wetterhahn ist ausgestellt.

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