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Alla Oetjen unterrichtet und begleitet geflüchtete Landsleute

Das Friesoyther Bildungswerk bietet unbürokratisch Deutschkurse für Ukrainerinnen und Ukrainer an. Die Dozentin hilft vielen Familien und holt am Freitag ihre Eltern aus dem umkämpften Geburtsland.

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In den Farben ihres Landes: Bildungswerk-Dozentin Alla Oetjen telefoniert täglich mit ihren Eltern, die sie jetzt zu sich holen wird.   Foto: Wimberg

In den Farben ihres Landes: Bildungswerk-Dozentin Alla Oetjen telefoniert täglich mit ihren Eltern, die sie jetzt zu sich holen wird.   Foto: Wimberg

Sie haben drei Häuser selbst gebaut, um im Alter von den Mieteinnahmen leben zu können und ihren Kindern nicht auf der Tasche zu liegen. Ihre Rente beträgt lediglich 50 Euro, davon allein können sie nicht existieren, und Lebensmittel sind teuer. Gemüse und Kartoffeln bauen sie selbst an, die Haltung von Schweinen, Enten und Hühnern trug bisher ebenfalls dazu bei, dass sie sich versorgen konnten. Nun sind die Tiere verkauft, das Wohnhaus ist an Bekannte übergeben, damit es nicht Plünderern in die Hände fällt. Benzin wurde unter widrigsten Bedingungen gekauft, das Internet ist für 5 Jahre im Voraus bezahlt.

Am Freitag nehmen die Eltern von Alla Oetjen dann für unbestimmte Zeit Abschied. „Schweren Herzens und die Zweifel sind da, aber ich habe sie inständig gebeten, ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen und die schlimmste Zeit in Deutschland abzuwarten“, sagt die Dozentin des Friesoyther Bildungswerks, die sich zeitgleich auf den 1400 Kilometer langen Weg zur polnischen Grenze aufmachen wird, um ihre Eltern abzuholen.

"Ich habe sie inständig gebeten, ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen."Alla Oetjen

„Zurzeit geht es uns allen schlecht“, bekennt die 49-Jährige. Sie selbst macht sich seit Ausbruch des Krieges große Sorgen und hofft, dass ihre Familie es am Stadtrand von Chmilnyk (270 Kilometer von Kiew entfernt) bei den Angriffen rechtzeitig in den Erdkeller schafft. Ihr Vater (72) ist an Parkinson erkrankt, ihre Mutter (70) kämpft gegen einen hohen Blutdruck und die tägliche Aufregung trägt nicht zu einer Beruhigung bei.

Mitnehmen wird das Paar am Freitag auch Freunde, die aus der umkämpften Hauptstadt geflüchtet sind und die letzten Tage im U-Bahn-Schacht verbracht haben. Sie kommen bei der Schwester von Alla Oetjen in Hamburg unter, „unsere Eltern werden erst einmal bei mir wohnen“, sagt die allgemein beeidigte und ermächtigte Dolmetscherin für die ukrainische und russische Sprache. Seit 2015 arbeitet sie für das Friesoyther Bildungswerk und gibt Deutschkurse.

Dozentin trägt ein blau-gelbes Haarband und Nagellack in Nationalfarben

Ab dem 17. März (Donnerstag) findet im alten Rathaus Stadtmitte unter ihrer Regie ein Willkommenskursus für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer statt, der ab dann zweimal wöchentlich (Mittwoch und Donnerstag) zwischen 9 und 12 Uhr terminiert ist. „Aufgrund der Nachfrage von Familien, die bereits Geflüchtete aufgenommen haben, sind wir sofort unbürokratisch und bedarfsorientiert tätig geworden“, berichten Geschäftsführerin Nicola Fuhler und Birgit Walker, Pädagogische Mitarbeiterin, über das noch ehrenamtlich organisierte Projekt, für das es schon 20 Anmeldungen gibt. Auch die Betreuung von Kindern gewährleistet das Team. Parallel zum Unterricht bietet der Kursus Hilfe bei Behördengängen, gibt Orientierung im Alltag und beantwortet Fragen zur medizinischen Versorgung, zu Schulen und Kitas.

Über dieses Angebot hinaus bietet Alla Oetjen ihre Unterstützung auf allen Ebenen an. „Ich helfe gerne“, sagt die Inhaberin eines Übersetzungsbüros in Apen, die als Zeichen der Verbundenheit zu ihrem Geburtsland ein blau-gelbes Haarband trägt. Auch der Nagellack in Nationalfarben beweist Solidarität, die Visitenkarte ebenfalls.

Alla Oetjen hofft, dass sie ihre Eltern am Wochenende unversehrt zu sich bringen kann. Und mit Blick auf die Landsleute, die sich ebenfalls auf deutschem Boden befinden, bittet sie alle Verantwortlichen, Möglichkeiten zu schaffen, „dass sie gebraucht werden und sich engagieren können, denn mein Volk möchte hier nicht auf Staatskosten leben“.

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