50 Jahre Ostdeutsche Heimat- und Trachtenstuben in Goldenstedt
Mit einer Feierstunde im September blickt der Vechtaer Kreisverband des Bundes der Vertriebenen auf die letzten 5 Jahrzehnte zurück. Professor Dr. Michael Hirschfeld wird einen Festvortrag halten.
Ingrid und Günter Kathmann freuen sich auf die Feierstunde am 16. September zum Jubiläum der ostdeutschen Heimatstuben. Foto: Heinzel
Die Ostdeutschen Heimat- und Trachtenstuben in Goldenstedt-Ambergen bestehen in diesem Jahr seit 50 Jahren. Der Bund der Vertriebenen (BdV) im Kreis Vechta kümmert sich um die Einrichtung und organisiert nun eine Feierstunde, um dieses Jubiläum entsprechend zu würdigen. Am 16. September (Samstag) wird es eine Feierstunde in der ehemaligen Volksschule an der Wildeshauser Straße in Ambergen geben. Für den musikalischen Rahmen sorgt Rainer Wördemann, Leiter der Kreismusikschule (KMS) Vechta.
Den Festvortrag mit dem Titel „Ein wichtiger Schritt zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Vertriebenen. Die Gründung der ostdeutschen Heimat- und Trachtenstube“ wird Professor Dr. Michael Hirschfeld von der Uni Vechta halten. Daneben wird es Grußworte durch Bürgermeister Alfred Kuhlmann, den Vorsitzenden der Oldenburgischen Landschaft (OL), Professor Dr. Uwe Meiners, und die Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Vertriebene bei der OL, Dr. Gisela Borchers, geben. Eingeladen sind zudem Landrat Tobias Gerdesmeyer und der Heimatbund Oldenburger Münsterland.
Für Ingrid Kathmann, die seit rund 20 Jahren die Vorsitzende des BdV-Kreisverbandes ist und sich mit vier weiteren Ehrenamtlichen um die Heimatstube kümmert, wird es ein bittersüßes Ereignis werden, da die Zukunft der Heimatstuben durch die Entwicklung der letzten Jahre ungewiss geworden ist. Die Besucherzahlen sind von 800 bis 900 (2011) auf 400 bis 500 (2022) Gäste pro Jahr gesunken, der zur Verfügung stehende Raum hat sich 2017 stark reduziert. Darüber hinaus hat der Kreisverband selber nur noch rund 60 Mitglieder, von denen das Gros über 80 Jahre alt ist. Die Ortsverbände in Damme, Dinklage, Steinfeld und Vechta haben sich aufgelöst.
Steine mit Ortsnamen erinnern an die Heimat der Vertriebenen.
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Ein Kurenkahn. Sie waren früher im namengebenden Kurischen Haff in Ostpreußen zu finden.
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Böhmisches Glas war ein bedeutendes Wirtschaftsgut.
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In die Ausstellung sind digitale Zeitzeugeninterviews integriert.
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Der Berggeist Rübezahl ist der Herr des Riesengebirge. Über solche Sagen und Mythen der einstigen deutschen Ostprovinzen informiert die Heimatstuben auch über eine Vortragsreihe.
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Die mittelalterliche norwegische Stabkirche wurde 1841 von König Friedrich Wilhelm IV erworben und in Schlesien wiederaufgebaut.
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Die Kathedrale St. Johannes der Täufer ist eines der Wahrzeichen Breslaus und steht als Modell in den Heimatstuben.
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38 Trachten besitzt die Heimatstube. Seit 2017 sind nur noch wenige zu sehen.
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Die gebürtige Lohnerin Ingrid Kathmann wird im nächsten Jahr nicht erneut für ihr Amt kandidieren und setzt auf ihre Stellvertreter für eine Fortführung der Arbeit. Ansonsten würde sie sich wünschen, dass die Sammlung der Heimatstuben eine neue Heimat in der Region findet, damit weiterhin jungen Generationen Wissen über Flucht und Vertreibung sowie den Lebensalltag und die Wirtschaft in den ehemaligen deutschen Ostgebieten vermittelt werden kann. Beispielsweise anhand von Trachten. Diese Kleidungsstücke waren teuer und wurden damals eher von gutbürgerlichen und Reichen getragen. Der Spruch „Unter die Haube kommen“ stamme aus Schlesien, so Kathmann. Die 67-Jährige führt auch durch die Ausstellung oder hält im Rahmen der Vortragsreihe in den Heimatstuben am Mittwoch (6. September) einen Vortrag zum Sagenkreis des Berggeistes „Rübezahl“, dem Herrn des Riesengebirges.
Die Ostdeutschen Heimat- und Trachtenstuben wurden am 8. Mai 1973 eröffnet. Gründer war der 1994 verstorbene Dr. Dietrich Wiederholdt, der selber ein Vertriebener aus Allenstein (Ostpreußen) war. Zunächst in zwei Klassenzimmern der ehemaligen Schule in Ambergen untergebracht, konnten die Heimatstuben 1979 durch die Räume der ehemaligen Lehrerwohnung ergänzt werden. Ziel der Stuben war und ist es, Traditionen aus Gebieten wie Schlesien oder Ost- und Westpreußen und noch einigen anderen zu bewahren sowie über Flucht und Vertreibung aus diesen Regionen zu informieren.
Foto: Heinzel
Bundespräsident Joachim Gauck formulierte 2015 aus Anlass der Begehung des ersten Weltflüchtlingstages, dass die Flucht und Vertreibung von etwa 12 bis 14 Millionen Deutschen aus ihrer Heimat am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach ein schwieriger Teil der deutschen Geschichte sei. Die sogenannte Westverschiebung Polens nach Kriegsende brachte viel Leid über die vertriebene deutsche Bevölkerung. Was „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ erfolgen sollte, hatte sich in der Realität als Albtraum erwiesen. „Erst flohen sie vor dem Krieg. Bei eisiger Kälte quälten sich Trecks mit Frauen und Kindern und Alten über verstopfte Landstraßen und brüchiges Eis, beschossen von Tieffliegern und überrannt von der Front. Völlig überladene Flüchtlingsschiffe versanken nach Torpedo- und Bombentreffern in der Ostsee. Ungezählte Frauen wurden vergewaltigt.“
Die Heimat- und Trachtenstuben bestanden lange Zeit aus fünf Räumlichkeiten und dem 1984 errichteten Mahnmal „Deutsche Heimat im Osten“. 2017 wurden mit der Errichtung eines Kindergartens die Steine in den Mehrgenerationenpark im Zentrum des Ortes versetzt und die Heimatstuben verkleinert. Zusätzlich dazu wurden die Trachtenräume an die angrenzende Kindertagesstätte abgegeben. Von den 38 Trachten sind jetzt noch zehn ausgestellt. Die Einrichtung sei aber immer noch ein außerschulischer Lernstandort. Leider hätten seit dem Ende der Pandemie bislang keine Schulklassen mehr den Weg nach Ambergen gefunden, um mit Zeitzeugen über Flucht und Vertreibung zu sprechen.
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