50-jähriges Jubiläum: Justus-von-Liebig-Schule befindet sich in ständigem Wandel
Der Standort der Berufsbildenden Schulen in Vechta besteht seit 50 Jahren. Neben der Anpassung der Lehrangebote steht nun auch eine bauliche Mammutaufgabe bevor.
Wandel der Zeit: Als die Justus-von-Liebig-Schule vor 50 Jahren gegründet wurde, war Internet noch ein Fremdwort. Inzwischen haben digitale Tafeln in den Unterrichtsräumen der Berufsbildenden Schule Einzug gehalten. Foto: Speckmann
In der Justus-von-Liebig-Schule sollen noch vor den Sommerferien die Handwerker anrücken. Aber vor Beginn der umfangreichen Sanierung steht ein Jubiläum ins Haus. Der Standort der Berufsbildenden Schulen in Vechta besteht seit 50 Jahren. Einen Tag der offenen Tür hat die Schulleitung nicht vorgesehen. Dafür wäre die Planung in der Corona-Pandemie zu unsicher gewesen. Aber in kleinem Kreis mit geladenen Gästen soll am 9. Juni (Donnerstag) auf das Jubiläum angestoßen werden.
Wer mit offenen Augen durch das mehrgeschossige Hauptgebäude an der Kolpingstraße geht, wird die Spuren der Zeit kaum übersehen: hier eine ausgediente Kücheneinrichtung, dort veraltete Böden und Fenster. Aber es gibt auch eine positive Seite. Lehrkräfte unterrichten an digitalen Tafeln. Ihre Schüler profitieren von Bildungsgängen, die es früher noch nicht in dieser Form vor Ort gab. Auch das ist Teil der wechselvollen Geschichte.
„Das Konstrukt der Schule ist schon mehr als 125 Jahre alt“, erklärt Schulleiterin Gabriele Droste-Kühling bei einem Blick in die Chronik. Die Wurzeln liegen in der damaligen Eröffnung der Landwirtschaftlichen Winterschule in Dinklage. In der Folge hat sich ein kreisweites Netz mit verschiedenen Ausbildungsgängen und Standorten entwickelt, zu denen seit 1972 die Justus-von-Liebig-Schule gehört. Sie zählt heute etwa 1000 Schüler und annähernd 70 Lehrkräfte.
Ist mit der Entwicklung der Lehrangebote zufrieden: Schulleiterin Gabriele Droste-Kühling. Foto: Speckmann
Die Agrarwirtschaft bildet nach wie vor einen Schwerpunkt. Früher sei mit etwas Sorge auf diesen Bereich geschaut worden, aber inzwischen handele es sich um ein „qualitativ hochwertiges Angebot“, berichtet die Schulleiterin. In diesem Zusammenhang lobt sie das fruchtbare Miteinander mit Kreislandvolkverband und Landwirtschaftskammer. Diese Kooperation tue der Ausbildung sowohl inhaltlich als auch personell gut.
Wie sehr das schulische Angebot im Wandel ist, zeigt ein Blick auf das Bäcker- und Fleischerhandwerk. Wer sich für solche Berufsfelder entscheidet, muss längst weite Wege in Kauf nehmen. An der Justus-von-Liebig-Schule reichen die Bewerberzahlen für derartige Ausbildungsgänge nicht mehr aus. Selbst die einst so verbreitete Hauswirtschaft tritt seit einigen Jahren zunehmend in den Hintergrund.
Gesundheit, Soziales und Pflege sind im Kommen
Stattdessen gewinnen Gesundheit, Soziales und Pflege immer mehr an Bedeutung. Die Absolventen können sich ihren späteren Arbeitsplatz förmlich aussuchen, der Bedarf an Fachkräften ist enorm. Vor 4 Jahren ist die Berufsfachschule Ergotherapie hinzugekommen. Die Einführung zeigt bereits Erfolge, die Absolventen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Auch die Heilerziehungspflege hat sich etabliert.
Die Schulleiterin weiß aus Erfahrung, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis sich neue Bereiche verfestigen. Gerade in der Pandemie sei es schwierig gewesen, Angebote zu bewerben. Hinzu komme eine Verunsicherung in Betrieben. Das sei bei der „Fachkraft im Gastgewerbe“ deutlich zu spüren. Dieser Berufsschulzweig biete Chancen für das Tourismus- und Übernachtungsgewerbe, müsse aber noch angenommen werden.
Droste-Kühling sieht noch viel Potenzial für vertiefende und auch neue Bildungsangebote. Daran könne die Berufsschule wachsen, ist sie überzeugt. Ein Vorstoß wäre etwa in der Physiotherapie denkbar, um eine heimatnahe Alternative zu Privatschulen in Städten wie Oldenburg oder Osnabrück zu bieten. Synergien ließen sich durch das bereits jetzt vorhandene Lehrpersonal aus verwandten Berufszweigen herstellen, meint die Oberstudiendirektorin.
Mit der Entwicklung der Berufswelt Schritt zu halten und auf die Bedürfnisse der Wirtschaft einzugehen, ist für die Schulleiterin von elementarer Bedeutung: „Was wir anbieten müssen, ist das, was der Arbeitsmarkt braucht.“ Dabei gehe es nicht nur um die Betriebe, sondern auch um die Interessen der Schüler. Wenn junge Leute vor Ort bestimmte Angebote nicht vorfänden, bestehe die Gefahr einer Abwanderung in andere Landkreise.
Keine Frage: Die Berufsschule hat sich gewandelt – inhaltlich, und auch was das Klientel betrifft. „Die Möglichkeiten der Bildungsabschlüsse haben sich total verändert“, stellt Droste-Kühling fest. In den 1970er Jahren habe es noch kein Fachgymnasium im Hause gegeben. Inzwischen sei hier vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur alles möglich. Jährlich etwa 130 bis 140 Absolventen würden eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen.
Was die mediale Ausstattung der Schule betrifft, sieht die Leiterin schon Riesenfortschritte. Auch die frisch sanierte Sporthalle kann sich sehen lassen. Handlungsbedarf gibt es hingegen in den Unterrichts- und Fachräumen, die sich in einem überholungsbedürftigen Zustand befinden, um es vorsichtig auszudrücken. Hier stehe der Landkreis Vechta als Schulträger vor einer Mammutaufgabe.
"Die Schule hat Entwicklungspotenzial. Wenn man es richtig anpackt, kann es ein echtes Kompetenzzentrum werden.“Gabriele Droste-Kühling, Leiterin der Justus-von-Liebig-Schule in Vechta
In diesem Sommer soll eine umfangreiche Sanierung des Hauptgebäudes beginnen. Dabei wird sich auch in energetischer Hinsicht eine Menge tun. Durch die Aufstockung eines zusätzlichen Obergeschosses entstehen weitere Fachräume. In dieser Erweiterung sieht Droste-Kühling neue Chancen: „Die Schule hat Entwicklungspotenzial. Wenn man es richtig anpackt, kann es ein echtes Kompetenzzentrum werden.“
Das Hauptgebäude an der Kolpingstraße soll im Zuge der Sanierung um ein weiteres Geschoss aufgestockt werden. Foto: Speckmann
Darüber hinaus arbeitet die Justus-von-Liebig-Schule darauf hin, die Anerkennung als Europaschule zu bekommen. Der Austausch auf internationaler Ebene könnte sich insbesondere für die Bereiche Agrarwirtschaft und Pflege auszahlen. An neuen Ideen und Zielen mangelt es im Jubiläumsjahr also nicht. „Die Schule ist insgesamt auf einem richtig guten Weg. Wir können gut in die Zukunft schauen“, sagt die Leiterin.