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TikTok-Challenges: wenn Mutproben viral gehen

Kolumne: Die Generation Z zeigt's Ihnen – Mutproben kennen wir alle aus unserer Kindheit. Die Plattform TikTok bringt das Ganze in den vergangenen Jahren aber auf ein neues Level.

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Bereits in den 1930er Jahren wurde in Erich Kästners Roman „Das Fliegende Klassenzimmer“ mit Ulis Sprung vom Gerüst dargestellt, welchen beflügelnden Effekt das Meistern von Herausforderungen auf heranwachsende Menschen haben kann. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, gab es auch in meinem Freundeskreis das gegenseitige Auf-die-Probe-Stellen: „Wette, du traust dich nicht, vom 5-Meter-Turm ins Wasser zu springen?“ Während Uli also auf das Gerüst kletterte, absolvierte ich meine erste Mutprobe im Schwimmbad.

Laut Verhaltensforschern soll ein solches Ausprobieren beim Aufwachsen die Entwicklung von Kindern positiv beeinflussen können. Die eigenen Grenzen kennenlernen, über sich hinauswachsen und dafür Anerkennung erhalten. So weit, so gut. Aber nicht nur eine traumatisierende Nachtwanderung im Ferienlager 2006 lässt mich daran zweifeln, ob wirklich jede Mutprobe diesen Zweck erfüllt. 

Bei einer aktuell viralen Challenge auf der bei Kindern und Jugendlichen beliebten Plattform TikTok geht es darum, einen sogenannten "Hot Chip" zu essen. Der "Hot Chip" kostet 10 Euro und wird im Sarg-Design verpackt, mitgeliefert werden außerdem Schutzhandschuhe. Der Inhalt: Ein einzelner Tortilla-Chip, der mit der schärfsten Chili der Welt, der "Carolina Reaper", gewürzt ist. Rund 2 Millionen Scoville hat ein solches Knabbergebäck.

"Auf TikTok gab es in den vergangenen Jahren schon so einige Challenges, die bei mir keinen Imitationstrieb, sondern noch mehr Unverständnis auslösten."

Natürlich hat die "Hot Chip Challenge" mit der Zeit mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil vermehrt Kinder und Jugendliche – ob in Amerika oder beispielsweise in Dortmund – nach dem Verzehr ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Die Symptome: Hautreizungen, Atemnot und Kreislaufzusammenbrüche. Bei diesen feurigen Chips kommt also auch manch hartgesottener Connoisseur von scharfem Essen ins Schwitzen.

Dabei ist die "Hot Chip Challenge" nur die Spitze des Eisbergs. Auf TikTok gab es in den vergangenen Jahren schon so einige Challenges, die bei mir keinen Imitationstrieb, sondern noch mehr Unverständnis auslösten. Da wäre zum Beispiel die "Coronavirus Challenge", bei der Teilnehmer öffentliche Toilettensitze oder die Haltestangen in der Bahn ableckten (Kein Scherz!). Oder die "Blackout Challenge", bei der sich die Teilnehmer so lange selbst würgen, bis sie in Ohnmacht fallen. 

Es scheint so, als würden das Internet und vor allem soziale Plattformen solche Mutproben auf ein neues Level bringen. Kinder und Jugendliche haben heutzutage ein viel größeres Publikum. Der Reiz nach Aufmerksamkeit und die Möglichkeit, mit einer Challenge viral zu gehen, schaffen ein neues Maß an Anerkennung. Damit lässt sich schon fast sicher sagen, dass die nächste unsinnige Mutprobe bereits auf dem Weg ist, zu einem TikTok-Trend zu werden. Und ob das für die Entwicklung der Kinder gut ist, stell' ich mal vorsichtig infrage. 


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