Sensationsfund mit tragischer Geschichte
Archäologen entdecken in Kalkriese den bislang ältesten römischen Schienenpanzer und eine Halsgeige. Der Zufallsfund erzählt vom Schicksal eines römischen Legionärs.
Stefan Freiwald | 25.09.2020
Archäologen entdecken in Kalkriese den bislang ältesten römischen Schienenpanzer und eine Halsgeige. Der Zufallsfund erzählt vom Schicksal eines römischen Legionärs.
Stefan Freiwald | 25.09.2020
Schicht für Schicht arbeitet sich Rebekka Kuiter vor. Die Restauratorin birgt den Schienenpanzer und restauriert ihn. Fotos: Stefan Freiwald
Rebekka Kuiter pinselt am Freitag mit großer Vorsicht über das verrostete Metall, während die Kamerateams die junge Restauratorin filmen und sie immer wieder bitten, noch einmal zu pinseln, mit der Kelle zu kratzen oder andere typische Bewegungen zu machen. Das Metall, über das sie kratzt, ist ein Überrest eines Schienenpanzers und hat vor rund 2.000 Jahren offenbar einem römischen Legionär gehört, der auf dem Schlachtfeld in Kalkriese gekämpft hat. Die Archäologen des Museums und Parks Varusschlacht im Osnabrücker Land haben damit nicht nur einen „Jahrhundertfund und Sensationsfund“ gemacht, weil es der älteste und bislang am besten erhaltene Schienenpanzer aus römischer Zeit ist und Teile der Rüstungsgeschichte neu geschrieben werden müssen, wie am Freitag der Geschäftsführer Dr. Stefan Burmeister bei der Vorstellung des Panzers schwärmt. Vielmehr erzähle der Fund etwas über ein menschliches Schicksal, eben das eines römischen Legionärs, der auf dem Oberesch bei Kalkriese vor 2.000 Jahren von seinen Feinden gefangen wurde, mit seiner eigenen Halsgeige – einem Fesselinstrument – gefesselt und dann in eine Grube geworfen wurde, in der er qualvoll starb. So vermuten es jedenfalls die Archäologen. Die Geschichte des Fundes und seiner Bergung ist nicht so dramatisch, aber dennoch spannend. Eigentlich wollen die Archäologen des Museums und der Uni Osnabrück im Jahr 2018 routinemäßig Eiszeitformationen im Boden untersuchen, berichtet Museumsleiterin Dr. Heidrun Derks. Doch dann schlägt der Metalldetektor eines Mitarbeiters unerwartet heftig an. Allen wird klar, dass da ein größerer Fund im Boden stecken soll. Um ihn nicht zu beschädigen, schneiden die Experten einen ein Kubikmeter großen und 500 Kilogramm schweren Block aus dem Boden. Den gipsen sie ein, packen ihn in eine große Holzkiste und bringen ihn zum Flughafen Münster/Osnabrück. Dort soll die Kiste vom Zoll geröntgt werden. Doch die Anlage, in der sonst Koffer untersucht werden, liefert keine brauchbaren Ergebnisse. Jetzt kann nur noch der größte Computertomograph der Welt helfen. Der steht im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Fürth. „Wir scannen damit sogar Flugzeuge“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katrin Zerbe. Das Untersuchungsergebnis übertrifft der Erwartungen der Varusschlacht-Experten. An dem CT sehen sie dreidimensional den Panzer, der an der Brust und der Schulter eines Legionärs gesessen haben muss. Und auch Teile der Halsgeige lassen sich deutlich erkennen. Zurück in Kalkriese macht sich Restauratorin Rebekka Kuiter im Juni 2019 an die Arbeit. Sie öffnet die Kiste und trägt fein säuberlich jede Sandschicht zentimeterweise ab, bis sie auf die ersten Brustplatten stößt. Zerbrochene Teile reinigt sie, und klebt sie wie bei einem Puzzle zusammen. Danach befreit sie diese vom Rost. 30 Platten hat solch ein Panzer, fünf fehlen nach dem derzeitigen Stand. Aber noch liegt eine Menge Arbeit vor der jungen Frau, denn sie hat bislang erst die Hälfte des Panzers geborgen und restauriert. Bis der Fund vollständig gesichert ist, sagt Heidrun Derks, müssen sich Museumsbesucher noch gedulden. Im Jahr 2023 solle es eine große Sonderausstellung zu den Forschungen in Kalkriese geben. Der Star der Schau steht schon fest: ein Schienenpanzer eines auf dem Schlachtfeld tragisch zu Tode gekommenen Legionärs. Info: Eine Bergung mit Tücken
Die Restaurierung ist aufwändig
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