Ilja Richter nimmt es persönlich im Vechtaer Metropol-Theater
Der Autor freute sich über eine "kleine radikale Minderheit", die den Weg in die musikalische Lesung gefunden hatte. Das Publikum hörte Marlene Dietrich und Porträts von Manfred Krug und Theo Lingen.
Nehmen Sie's persönlich: Ilja Richter präsentierte in einer musikalischen Lesung Menschen, die ihn geprägt haben. Foto: Heinzel
"Sie sind eine kleine radikale Minderheit, die 30 Programme ignoriert, um hier zu sein", meinte Ilja Richter zur Begrüßung. Der 70-Jährige begeisterte das Publikum im Vechtaer Metropol-Theater mit seiner Bühnenpräsenz und Performance. Im Laufe des Abends hörten die Anwesenden beispielsweise die Stimme von Theo Lingen und Peter Alexander. Der Autor eröffnete aber seine Buchpräsentation mit dem Vortrag von Ablehnungsschreiben diverser Verleger, die jeweils mit einer eigenen Körperhaltung und einer eigenen Intonation vorgetragen wurden. Kiepenheuer & Witsch klang jovial im kölschen Dialekt und Suhrkamp hochnäsig herablassend.
Nach diesem kurzen Exkurs zur Entstehungsgeschichte des Werkes würdigte der 70-Jährige Manfred Krug (1937 - 2016) und gab einen Einblick in seine Begegnungen mit dem Schauspieler. Dabei erfuhren die Zuhörer, dass Krug ein gebürtiger Duisburger gewesen ist – also ein echter „Ruhrpott-Bengel“, welcher zu Ilja Richter am Ende eines Besuches sagte: „Denk an meine Worte: Zwei Wohnungen – das ist die beste Lösung mit einer Frau!“ Ilja Richter versteht es, die Porträtierten auf der Bühne lebendig werden zu lassen. Das Publikum hatte das Gefühl, direkt neben ihm und Manfred Krug zu stehen und das Gespräch aus nächster Nähe verfolgen zu können. Erfrischend kurzweilig und mit vollem Körpereinsatz agierte Ilja Richter in Vechta.
„Etwas von Venske schreiben, das kann ich“, meinte Ilja Richter, nachdem er dessen scharfzüngig pointierten Texte zu Friedrich Barbarossa und Helmut Kohl vorgelesen hatte. Es war ein Fest der Wortkunst und sorgte für viele Lacher. Henning Venske schrieb über den Kanzler der Einheit: „Auf platten Füßen schlurfte er rücksichtslos durch den Saal, immer wieder andere Paare anrempelnd, und führte dabei eine zierliche Asiatin im Genick. Slowfox. Das war also die Evolution, das war aus den germanischen Kriegstänzen geworden, so mussten Gavotte und Menuett enden, hier fanden Polka und Galopp ihre Endstation. Ein Tänzchen mit dem Kanzler kann monatelange intensive politische Bemühungen ruckzuck zunichtemachen.“
So muss es sich in der Wohnung von Manfred Krug abgespielt haben, als Ilja Richter einen Stift suchte, der Krugs Ehefrau gehörte. Foto: Heinzel
In der musikalischen Lesung des Entertainers hörten die Anwesenden Manfred Krug mit „Niemand liebt Dich so wie ich“, aber auch „Hakuna Matata“ aus dem Zeichentrickfilm „Der König der Löwen“. Ilja Richter lieh Timon seine Stimme.
In seinen Porträts gibt es ebenfalls ernste Töne. Eine der dramatischsten Geschichten ist die von Theo Lingen (1903 - 1978). Den Vortrag unterbrach Ilja Richter für das von Marlene Dietrich gesungene Lied „In den Kasernen“. Der Saal lauschte dabei gebannt sowohl den Worten Ilja Richters als auch dem eindringlichen Gesang von Marlene Dietrich. Der 70-Jährige konstatierte, dass er die Zivilcourage Theo Lingens immer bewundert habe.
"Der Abend folgt einer klaren konzeptionellen Form, in der alles ineinander übergeht: Lesen, Sprechen, Singen", hatte Ilja Richter bereits in einem Interview vor seinem Auftritt im Metropol-Theater angekündigt, und souverän demonstrierte er seine Wandlungsfähigkeit. Beispielsweise mit einem kleinen Rückblick auf sein Bühnenprogramm „Vergesst Winnetou“. Er sang im Wiener Klang „Schnucki, ach Schnucki“. Das Publikum jedenfalls spendete am Ende nicht nur starken Applaus, sondern drückte seine Begeisterung mit zahlreichen Beifallspfiffen aus.