„Ich habe mich als Mörderin gefühlt“
Birte Tobias, zur Zeit in der Frauen-JVA Vechta. Südoldenburger und ihre Gedanken zu Kreuz und Christentum: Das ist der Stoff der Serie „Mut zum Kreuz“.
Marie Chantal Tajdel, Matthias Niehues | 14.09.2016
Birte Tobias, zur Zeit in der Frauen-JVA Vechta. Südoldenburger und ihre Gedanken zu Kreuz und Christentum: Das ist der Stoff der Serie „Mut zum Kreuz“.
Marie Chantal Tajdel, Matthias Niehues | 14.09.2016
Birte Tobias kommt aus Celle und verbüßt wegen verschiedener Delikte eine Haftstrafe in der JVA für Frauen in Vechta. Die 34-Jährige war heroinabhängig und erhält im Gefängnis die Ersatzdroge Polamidon. Sie hat vor fünf Jahren ihr Kind verloren. „Mein Sohn ist mit 14 Monaten an EHEC verstorben. Fernando war ein Methadon-Kind, er wurde 13 Wochen zu früh geboren und war nach der Geburt acht Monate im Krankenhaus. Danach ist er gleich zu Pflegeeltern gekommen, weil ich drogenkrank bin und nicht in der Lage, mich zu kümmern. Meine drei anderen Kinder wachsen bei meiner Schwiegermutter auf. Bei den Pflegeeltern hat er sich mit EHEC infiziert. Das Jugendamt hat meinen Mann und mich mittwochs informiert. Nachmittags lag Fernando bereits im Sterben. Am Freitag wurden die Maschinen abgestellt. Wir mussten das entscheiden. Wir haben ihn noch nottaufen lassen. Um 16.45 Uhr hat sein kleines Herz zum letzten Mal geschlagen. Aber ich konnte nicht dabei sein, bin zusammen gebrochen. Ich habe mich als Mörderin gefühlt. Ich kann mich noch erinnern, dass bei der Beerdigung der Weg voller Eis und Schnee war. Ich habe geschrien, dass Fernando friert. Der Pastor hat eine Decke über seinen Sarg gelegt. Das hat mich erleichtert. Seit der Geburt hing ein kleines Metallkreuz an seinem Bett. Das habe ich in sein Grab gelegt. Ich war schon mal in Vechta im Gefängnis und habe dort von der Pfarrerin ein Holzkreuz erhalten. Das habe ich an den Grabstein gehängt. Ich bin schon als kleines Mädchen mit meiner Oma zur Kirche gegangen, aber als mein Sohn gestorben ist, habe ich mit Gott gehadert, weil ich diejenige bin, die hätte sterben müssen und nicht mein Sohn. Er ist an Maschinen geboren worden und an Maschinen gestorben. Fernandos Tod hat mich aus der Bahn geworfen. Ich war nach seiner Geburt clean und durfte ihn regelmäßig sehen. Vorher hatte ich Heroin nur geschnupft oder geraucht. Nach seinem Tod wollte ich mich selber töten und habe Heroin gespritzt, und war dann wieder voll drauf. Um meine Sucht zu finanzieren, bin ich auch wieder in die Kriminalität abgerutscht. Wie lange ich noch im Gefängnis bleiben muss, weiß ich nicht. Es sind noch Verfahren offen. Aber ich möchte nach der Entlassung einen Entzug und eine Langzeittherapie beginnen. Ich muss das schaffen, für mich und meine Kinder. So komisch das klingt, hier im Gefängnis habe ich wieder Mut geschöpft."Fakten
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