Doris Kunstmann und Ron Williams brillieren in Miss Daisy und ihr Chauffeur
Das Publikum im Metropol-Theater erhob sich zahlreich zu Standing Ovations und spendete Szenenapplaus. Das Stück thematisiert die Geschichte der Rassentrennung in den USA.
Doris Kunstmann als Miss Daisy Werthan und Ron Williams als Hoke Coleburn entwickeln in ihren Rollen eine respektvolle Sympathie füreinander. Foto: Heinzel
Quietschende Reifen, das Geräusch eines Aufpralls: So startete die Inszenierung von „Miss Daisy und ihr Chauffeur“. Der zu hörende Unfall lieferte den Grund dafür, dass sich die beiden Protagonisten treffen. Doris Kunstmann als Miss Daisy Werthan und Ron Williams als Hoke Coleburn sind ein fantastisch harmonierendes Duo, das das 3-Personen-Stück trägt. Ihr Spiel ist gefühlvoll und präzise. Ergänzt werden die beiden durch Benjamin Kernen, der Boolie Werthan spielt. Souverän nimmt er sich zurück und ergänzt das Spiel der Hauptdarsteller.
Das Tournee-Theater Thespiskarren zeigte jetzt das Schauspiel von Alfred Uhry im Vechtaer Metropol-Theater. Kurzweilig, voll Ironie und liebevoller Spötteleien sowie Musik entspinnt sich eine menschliche Geschichte zum historischen Thema der Rassentrennung in den USA. Regie führte dabei Frank Mathus. Das Bühnenbild – hervorragend und simpel gemacht – entwarfen Andreas Hugenschmidt und Bertram Kohlhofer. Schnelle Ortswechsel sind so in dem atmosphärisch dichten Stück möglich und finden kontinuierlich statt. Die Handlung spielt in Atlanta, Georgia, zwischen 1948 und 1973. Im Begleitheft schreibt das Theater, dass Atlanta den Ruf hatte, „die strengsten und am weitesten verbreiteten Rassentrennungsgesetze der USA auszuüben“.
„Hoke, du bist mein bester Freund.“Miss Daisy Werthan
Eine Sache, die Darsteller Ron Williams (Hoke Coleburn) selbst Anfang der 1960er Jahre in Georgia während seiner Ausbildung zum Militärpolizisten erlebte. Das Stück spielt mit der Nähe und Distanz seiner Hauptfiguren, welche im Laufe der Zeit eine respektvolle Sympathie füreinander entwickeln. So sagt Miss Daisy gegen Ende des Stückes: „Hoke, du bist mein bester Freund.“ Die gesellschaftlichen Rollen bleiben und sind stets klar verteilt. Auf der einen Seite die wohlhabende, gebildete jüdische Südstaaten-Dame und auf der anderen Seite ein zwar lebenskluger und gewiefter Hoke Coleburn, der aber nicht lesen kann und als Schwarzer sein Leben lang Benachteiligung erfahren hat.
Hoke Colburn (Ron Williams) trotzt Sturm und Stromausfall, um Miss Daisy (Doris Kunstmann) einen Kaffee zu bringen. Foto: Heinzel
Ron Williams spielt hervorragend und Doris Kunstmann steht ihm in nichts nach. Gemeinsam ermöglichen sie die Immersion der Zuschauer in die Geschichte, deren realer Hintergrund immer wieder in den Vordergrund rückt, die Leinwand bildet, auf der die Erzählung stattfindet. Ein klug und effektiv gesetzter, beklemmender Gänsehautmoment spielt 1963. Hoke fährt Miss Daisy zu einem großen Treffen mit Martin Luther King. Miss Daisy schafft es nicht, ihren Chauffeur dazu einzuladen. Dann wird es dunkel und die Stimme Martin Luther Kings erklingt. Teile seiner Rede „I have a Dream“ sind zu Bildern des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan zu hören. Die Szene verdeutlicht, wie hart und wie lange Amerikaner mit schwarzer Hautfarbe für ihre Rechte kämpfen mussten.
Das Stück offenbarte auch, wie Menschen etwas nicht wahrhaben wollen. Dies zeigt das Gespräch zwischen den Protagonisten, als im Tempel eine Bombe explodiert. Miss Daisy fragt fassungslos: „Wer macht denn so etwas?“ Hoke sagt daraufhin: „Das wissen Sie doch. Es sind immer dieselben.“ Boogie Werthans Bemühen, nicht mit Martin Luther King gesehen zu werden, zeigt, wie die Angst vor den Konsequenzen einer gesellschaftlichen Ächtung, dem Verlust von Annehmlichkeiten dem Opportunismus Vorschub leistet und den Status quo bewahrt.
Ron Williams sang in der Tradition von Ray Charles "Georgia on my mind". Es war ein berührender Abschluss eines bejubelten Theaterabends. Foto: Heinzel
Das vielschichtige Stück und das nuancierte Spiel von Doris Kunstmann und Ron Williams begeisterten das Publikum, das seine Anerkennung für die schauspielerische Leistung mit Beifallspfiffen und lautstarkem Applaus zum Ausdruck brachte. Das Gros im Saal erhob sich zudem zu Standing Ovations. Ron Williams sprach zum Abschluss ein paar persönliche Worte, auch zu seinen Erfahrungen in den 1960er Jahren in Georgia und sang „Georgia on my Mind“ mit Hinweis auf die Version von Ray Charles. Es war ein berührender Abschluss eines umjubelten Theaterabends.